Wissenschaftslügen - Was Ihr Arzt Nicht Erzählt
Wissenschaftslügen
Wissenschaftliche Fachzeitschriften genießen weitestgehend den Ruf der wissenschaftlichen Unparteilichkeit, der
Objektivität. Veröffentlichungen von Arbeiten und Forschungsergebnissen in renommierten Fachzeitschriften kommen
fast einem Gütesiegel gleich. Wissenschaftliche Rezensionen von Arbeiten seitens der Fachjournale „canmakeyou, or
break you“. Somit ist es nicht sonderlich verwunderlich, dass die „pharma-wissenschaftoide“ Marketingindustrie sich
dieses Mediums angenommen hat, um ihre Produkte unter dem Schein wissenschaftlicher Neutralität über den Arzt an
den Patienten zu bringen.
So ist beispielsweise bekannt geworden, dass die amerikanische Pharmaorganisation Pharmceutical Research
andManufacturersofAmerica (PhRMA) mehr als eine Millionen Dollar in ein Netzwerk von Ökonomen und Führungskräften
investiert hat, die sich „Intellectual Echo ChamberofEconomists“ nennt.
Diese „Economists“ platzieren gezielt Artikel und Gegen-Artikel, bzw. finanzieren selbige, die sich in Medien
gegen staatliche Preisregulierung für Arzneimittel stark machen. Weitere zwei Millionen Dollar werden eingesetzt,
um gezielt eigennützige Statements zu generieren, die von Quellen stammen, die im Ruf großer Glaubwürdigkeit
stehen.
Solche Quellen sind dann z.B. wissenschaftliche Fachzeitschriften mit entsprechend positivem Image. So wies der
Lancet-Herausgeber Richard Horton darauf hin, dass die Pharmaindustrie inzwischen massiven Druck auf die
Fachmagazine ausübt, damit diese das drucken, was die Pharmaindustrie bereit ist, zu zahlen.
Die Strategie dazu läuft über den Kauf und/oder Finanzierung von Reprints ab, die die Pharmaindustrie dann
bezahlt, wenn die Fachzeitschrift die Studienergebnisse druckt, die der Firma genehm sind. Die aufgekauften
Reprints werden dann von der Pharmafirma an die Krankenhaus- und niedergelassenen Ärzte verteilt. Sie dienen als
Beleg, dass das neue (manchmal auch das uralte) Medikament von einer vertrauenswürdigen, unparteilichen,
wissenschaftlich neutralen Quelle, der Fachzeitschrift, befürwortet wird.
Welcher Arzt kann sich dann einer solchen Argumentation verschließen?
Viele werden bei Neueinstellungen, den Fachartikel zu dem entsprechenden Präparat im Hinterkopf, geneigt sein,
das Präparat zumindest mal probehalber einzusetzen. Der wichtige erste Schritt für die Vermarktung eines neuen
Präparates wäre aus Pharma-Sicht somit getan: Der Arzt hat angebissen.
Für die Fachzeitschriften sind solche Aktionen eine enorme Einnahmequelle. Wichtige Fachzeitschriften, wie
Lancet, werden von der Pharmaindustrie mit Anfragen = Angeboten überschüttet.
Dabei wird mehr oder weniger ungeschminkt darauf hingewiesen, dass bei Veröffentlichung von firmengenehmen
Datenmaterial die Pharmafirma Reprints in der Größenordnung von 10.000 und mehr zu kaufen gewillt ist, ein warmer
Geldregen für den Verlag.
Das Dilemma einer solchen Fachzeitschrift ist, dass sie, je mehr sie sich von ökonomischen Interessen abhängig
macht, desto mehr an Glaubwürdigkeit einbüßt. Andererseits sind die meisten Verlage nicht oder kaum in der Lage,
ohne die finanzielle Unterstützung gerade von der Pharmaindustrie zu überleben. Wer wissenschaftlich saubere
Artikel veröffentlichen und gleichzeitig finanziell überleben will, der muss zwei Herren dienen. Aber genau das
kommt der Quadratur des Kreises gleich.
Die Pharmaindustrie ist an objektiven Aussagen von Forschungsergebnissen bestenfalls dann interessiert, wenn
diese der eigenen Marketingstrategie entsprechen. Andernfalls besteht die Neigung, unliebsame Ergebnisse zu schönen
oder gleich in unzugänglichen Schubladen verschwinden zu lassen.
Die Quadratur des Kreises
Um als Fachzeitschrift ohne notwendig erzwungene Unterstützung seitens der Pharmaindustrie überleben zu können,
müssen ein paar Voraussetzungen gewährleistet sein. Eine solche Zeitschrift muss so viele Abonnements haben, dass
sie aus deren Verkäufen den regulären Betrieb finanzieren kann.
Wenn das Ansehen dieser Zeitschrift dann noch überdurchschnittlich hoch ist, dann können etliche Pharmafirmen
nicht umhin, in dieser Zeitschrift zu inserieren und Studien zu publizieren, auch wenn sie keinen Einfluss auf
redaktionelle Entscheidungen haben. Wenn dann die Eigentümer solcher Zeitschriften unabhängig sind von
kommerziellen Interessen der Pharmaindustrie, dann ergeben sich für die Chefredakteure und deren Team völlig andere
Handlungsspielräume, die Quadratur des Kreises.
Solche Voraussetzungen sind heute für die meisten Fachzeitschriften nicht gegeben. Die Meisten sind fast auf
Gedeih und Verderb auf finanzielle Zuweisungen von der Pharmaindustrie angewiesen, die damit richtungweisend werden
für die redaktionelle Vorgehensweise.
Von Geister-Schreibern und Studien-Geistern
Nicht selten kommt es vor, das ein Autor bei einem Fachjournal vorstellig wird und einen selbst verfertigten
Artikel über ein bestimmtes Präparat z.B. anbietet, wo sich dann letztendlich herausstellt, dass der Artikel aus
der Feder eines „Ghost-Writers“ stammt, der Pharmafirma, um deren Medikament es in dem Artikel geht. Dies ist hier
leichter zu beschreiben als in der Realität zu beweisen. Nicht zuletzt deshalb scheint dies immer öfter in Erwägung
gezogen zu werden. Auf diese Art und Weise lassen sich marketingstrategisch geschickt die Resultate platzieren, die
man an den Mann gebracht haben will.
Aber in der Welt der klinischen Studien scheint es ebenfalls Geister-Phänomene zu geben. Heute haben
Pharmafirmen einen entscheidenden, fast unbegrenzten Einfluss auf Studiendesign und Datenbasis der durchzuführenden
Studien, die im Wesentlichen deren Ergebnis determinieren. Im Verbund mit wissenschaftlicher Studien-Gläubigkeit
werden dann Studienergebnisse von Präparaten erzeugt, die nahezu „ewiges Leben“ versprechen.
Lipobay und Vioxx sind solche Präparate, bei denen eine lebensverlängernde Wirkung per Studien nachgewiesen
wurde, was sich aber nach einigen Jahren als marketing-induzierter Pharma-Schrott erwiesen hat. Die Präparate
taugen nichts, einige behaupten sogar, dass sie potentiell schädlich sind. So zumindest bei Vioxx, das Ende der
neunziger Jahre euphorisch gefeiert wurde als ein „Super-Aspirin“, das Millionen Menschen von Gelenkschmerzen
befreien konnte. Die Studienergebnisse waren laut der Fachorgane eindeutig. 2004 wurde das Wundermittel, das
Millionen Linderung und Merck Milliarden Umsätze verschaffte, vom Markt genommen, weil die Linderung durch eine
Reihe von tödlichen Myokardinfarkten und Schlaganfällen begleitet wurde. Laut Wikipedia (deutsche Version) wurde
2009 bekannt, „dass Merck vor der Marktrücknahme eine interne Liste mit Kritikern des Medikaments führte, die
mundtot gemacht werden sollten“, denn laut Financial Times war das Infarktrisiko schon deutlich früher bekannt
gewesen. Das Debakel hätte also verhindert werden können.
... und wenn sie nicht gestorben sind, dann lügen sie noch heute
So scheint es heute der ganz normale Alltag zu sein, dass publizierte Arbeiten frisiert sind, sobald sie von der
Pharmaindustrie initiiert worden sind, und das sind halt die meisten. Kritische Fragestellungen werden ausradiert,
negative Ergebnisse und Schlussfolgerungen verschwiegen. Versuchte Kontrollmechanismen, wie das Peer-Reviewing,
sind bestenfalls der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein, falls sie überhaupt greifen. Und der Großteil der
wissenschaftlichen Elfenbeinturmbewohner jedenfalls weiß sich heute bestens meistbietend zu verkaufen.
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